Pressemitteilungen Stadttauben

30. November 2018: Appell an Kultusminister: Brieftaubenwesen darf kein Kulturerbe werden

In einem Brief appelliert der Bundesverband Menschen für Tierrechte an die Mitglieder der Kultusministerkonferenz, am 6. Dezember gegen die Anerkennung des Brieftaubenwesens als nationales Immaterielles Kulturerbe zu stimmen. Der Verband begründet dies mit Verstößen gegen das Tierschutzgesetz. Zudem fordert er die Aufnahme des Tierschutzes in die Ethischen Prinzipien des Immateriellen Kulturerbes.

Der Verband Deutscher Brieftaubenzüchter e.V. hatte sich 2017 erfolgreich für die Aufnahme des „Brieftaubenwesens“ in das nordrhein-westfälische (NRW) Landes- sowie in das Bundesinventar des Immateriellen Kulturerbes beworben (1). Die Auszeichnung im Landesinventar fand am 25. Oktober 2018 statt. NRW nominierte das Brieftaubenwesen zudem für eine Aufnahme in das bundesweite Verzeichnis, der das Expertenkomitee der UNESCO Kommission folgte. Am 6. Dezember wird die Kultusministerkonferenz über die Anerkennung entscheiden.

Tierleid für Freizeitsport
Der Bundesverband Menschen für Tierrechte spricht sich gegen die Aufnahme in das immaterielle Kulturerbe aus, weil die Praktiken des Brieftaubenwesens mit erheblichem Tierleiden einhergehen. Für diese gibt es nach Ansicht des Verbandes keinen vernünftigen Grund, wie im Tierschutzgesetz gefordert. „Aufgrund der vielen tierschutzrelevanten Kritikpunkte, ist es absolut inakzeptabel, das Brieftaubenwesen als Kulturerbe auszuzeichnen. Die Methoden sind tierverachtend und für eine moderne zivilisierte Gesellschaft inakzeptabel und rückschrittlich. In unserem Schreiben haben wir die gesetzwidrigen Methoden des Brieftaubenwesens beschrieben und Dokumente angefügt, die die harten Selektionskriterien für die „Daseinsberechtigung“ der Tauben belegen“, sagt Dr. Claudia Gerlach, Fachreferentin beim Bundesverband.

Körperliche und psychische Gewalt
Die 2,5 Millionen Brieftauben in Deutschland (2) dienen dem reinen Freizeitsport. Sie werden unter oft tierschutzwidrigen Bedingungen selektiert, auf Wettflügen teilweise bis zum Erschöpfungstod überfordert und mit teils gewaltsamen Methoden zu Hochleistungen gebracht. So werden die monogamen Tiere beispielsweise von Gelegen, Jungen oder Partner getrennt, damit sie hunderte, teilweise bis über tausend, Kilometer weit zurückfliegen. Auf Wettflügen kommt es im Durchschnitt zu jährlichen Verlustraten von bis zu 59 Prozent (3). Viele Tauben sterben durch Dehydrierung, Hunger, Erschöpfung oder Verletzungen. Überlebende schließen sich zum Teil Stadttaubenschwärmen an. Nach Ansicht des Verbandes würde eine Anerkennung des Brieftaubenwesens daher deren Zuwachs in den Städten legitimieren. Zudem werden bei Zucht und Selektion zur Generierung sogenannter As-Tauben viele Tiere ohne Betäubung oder Sachkundenachweis getötet (4).

Brieftaubensport verstößt gegen Tierschutzgesetz
Die Praktiken wiedersprechen nach Ansicht des Verbandes gleich mehreren Paragrafen des Tierschutzgesetzes (§ 1, § 3 Nr. 1, § 4 Nr. 1, §§ 17 und 18) und somit grundlegend einer Anerkennung als bundesweit schutzwürdiges Erbe der Menschheit. Der Tierschutz steht seit 2002 in der deutschen und seit 2004 in der EU-Verfassung. Der Verfassungsrang ist Grund und Verpflichtung, den Tierschutz in der Praxis konsequent durchzusetzen.

Tierschutz in die Ethischen Prinzipien aufnehmen
Der Bundesverband hat sich auch an Prof. Wulf, Vizepräsident der Deutschen UNESCO Kommission und Vorsitzender des Expertenkomitees „Immaterielles Kulturerbe“ gewandt und gefordert, den Tierschutz als Beurteilungskriterium in die Ethischen Prinzipien im Umgang mit dem Immateriellen Kulturerbe aufzunehmen. „Um solche Fehlentscheidungen in Zukunft zu vermeiden, ist es unumgänglich, vor der Nominierung zu prüfen, ob die Praktiken tierschutzkonform sind. Dafür muss der Tierschutz schnellstmöglich in die Ethischen Kriterien aufgenommen werden“, fordert Gerlach.
(1) Schon im April hatte sich der Bundesverband Menschen für Tierrechte an das Ministerium für Kultur und Wissenschaft in Nordrhein-Westfalen gewandt und gefordert, der Nominierung nicht zu folgen. Doch die Einwendungen blieben erfolglos.

(2) Tierärztliche Vereinigung für Tierschutz e.V.: Tierschutz im Brieftaubensport. Merkblatt 121. Juli 2009, S. 3.,
Online unter: www.tierschutz-tvt.de Download unter: Sonstige Nutztiere > Merkblatt Nr. 121 – Brieftaubensport/Tierschutz (Stand: 2009)
(3) Warzecha, M., Kahlcke, K. und Kahlcke, M. (2009): Beitrag zur Ermittlung von Kennzahlen zu Verlusten bei Wettflügen von Brieftauben (Untersuchungszeitraum: 2004–2008).
(4) siehe Video von PETA Deutschland: www.peta.de

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Kontakt:
Dr. Claudia Gerlach, Fachreferentin für tierversuchsfreie Methoden
Tel.: +49 (0) 3641-5549244, E-Mail: gerlach@tierrechte.com

Pressestelle:
Christina Ledermann
Tel.: 0211/16345429
Mobil: 0179/450 46 80
E-Mail: ledermann@tierrechte.de

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Menschen für Tierrechte – Bundesverband der Tierversuchsgegner e.V.
Neue Geschäftsstelle: Mühlenstr. 7a, 40699 Erkrath
Tel: 0211 / 22 08 56 48, Internet: www.tierrechte.de

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Der Bundesverband Menschen für Tierrechte setzt sich seit seiner Gründung 1982 auf rechtlicher, politischer, wissenschaftlicher und gesellschaftlicher Ebene für die Anerkennung elementarer Tierrechte ein und kämpft gegen jeglichen Missbrauch von Tieren. Das langfristige Ziel ist eine grundsätzliche Veränderung des Mensch-Tier-Verhältnisses. Dem Dachverband mit Hauptsitz in Erkrath (früher Aachen) sind über 60 Vereine sowie private Fördermitglieder angeschlossen. Seine Stärke liegt im Zusammenwirken von Seriosität, Fachwissen und Lobbyarbeit auf höchster politischer Ebene. Dazu verfolgt der Verband einen Masterplan zum Ausstieg aud dem Tierversuch und eine Agrarwende von der tierischen zur pflanzlichen Eiweißproduktion, um das Ende der „Nutztier“-Haltung zu erreichen. Darüber hinaus ernennt der Verband beispielsweise das „Ersatzverfahren bzw. Replace des Jahres“ sowie das: „Versuchstier des Jahres“, betreibt die Wissenschaftsplattform InVitro+Jobs für eine konsequente Förderung der tierversuchsfreien Forschung und setzt sich mit dem Projekt SATIS für eine humane Ausbildung ein. Weitere Arbeitsschwerpunkte sind die Etablierung der Tierschutz-Verbandsklage, eine tierlose bio-vegane Landwirtschaft sowie die Aufnahme von Tierrechten in die Lehrpläne von Schulen. Der Verband gibt viermal im Jahr das Magazin tierrechte heraus. Neben einem Themenschwerpunkt informiert die Zeitschrift Journalisten, Wissenschaftler, Politiker, Behörden und Verbandsmitglieder über aktuelle Entwicklungen in der politischen Tierrechtsarbeit. Zudem erscheint zweimal monatlich der Tierrechte Newsletter. Der Bundesverband Menschen für Tierrechte ist seit seiner Gründung als gemeinnützig und besonders förderungswürdig anerkannt. Beiträge und Spenden sind steuerlich absetzbar.