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Tierschutzgesetz: Abstimmung im Bundesrat enttäuscht

Bei den Verhandlungen zur Novelle des Tierschutzgesetzes im Bundesrat am 5. Juli 2024 unterstützen die Länder den vorliegenden Gesetzesentwurf. Es wurde aber auch deutlich, dass sie großen Nachbesserungsbedarf sehen. Die Ausschüsse der Länderkammer hatten den Ländern an vielen Stellen strengere Regeln im Sinne der Tiere empfohlen. Insgesamt enttäuschte jedoch das Abstimmungsverhalten der Länder. Trotz des Appells des Bundesverbandes und seiner Partner, nutzen sie ihre Möglichkeiten nicht aus, um den Gesetzentwurf im Sinne der Tiere zu verbessern. 

Das Plenum der Länderkammer stimmte Am 5. Juli über insgesamt 84 Änderungswünsche an der Gesetzesvorlage ab. Da die Novelle des Tierschutzgesetzes nicht zustimmungspflichtig ist, stellt die Abstimmung jedoch nur eine Stellungnahme der Länder zum Gesetzentwurf dar. Daher ist offen, ob die Bundesregierung die Empfehlungen im parlamentarischen Verfahren nach der Sommerpause aufgreifen wird.

Länder sprechen sich für Anbindehaltung aus
Beispiel Anbindehaltung: Hier sprach sich die Mehrheit der Länder – entgegen der Empfehlung der eigenen Ausschüsse – gegen Verbesserungen für die Tiere aus. Der wichtigen Forderung, die ganzjährige Anbindehaltung von Rindern schon nach fünf, statt wie geplant, nach zehn Jahren zu verbieten, stimmte die Länderkammer nicht zu. Auch strengeren Tierschutzvorgaben für die saisonale Kombihaltung verweigerten die Länder die Zustimmung. Damit bleibt es bei der im Gesetz geplanten Obergrenze von 50 Rindern sowie beim zweimal wöchentlichen Auslauf für die Tiere im Winter.

Amputationen: Länder stimmten für Lockerungen
Bei den Amputationen, mit denen die Tiere noch immer an die Haltungssysteme angepasst werden, forderten die Länder sogar noch Verschlechterungen: Bei der Enthornung von Kälbern und beim Schwänzekupieren von Ferkeln sprachen sie sich für Lockerungen aus. Danach soll beim Enthornen eine lokale Betäubung ausreichen. Ein Tierarzt soll dafür nicht notwendig sein, sofern Tierhalter entsprechend geschult sind. Beim Schwänzekupieren von Ferkeln empfahlen die Länder, auf den nationalen Aktionsplan Kupierverzicht zurückzugreifen.

Amputation von Ringelschwänzen längst verboten
Praktisch würde dies jedoch bedeuten, die im Gesetz geplanten Einschränkungen der Amputation von Ringelschwänzen wieder aufzuweichen. Nicht umsonst ist die grausame Praxis bereits seit 1994 EU-weit verboten. Deutschland droht zu Recht ein Vertragsverletzungsverfahren, weil sich die deutschen Schweinehalter:innen nicht an das Verbot halten. Den im Gesetzesentwurf geplanten Dokumentationsaufwand und die Risikoanalyse lehnten die Länder ebenfalls ab, da dadurch zu viel „unnötige Bürokratie“ für die Schweinehalter entstehe. Ebenfalls keine Mehrheit fand die Ausschussempfehlung für ein pauschales Kupierverbot der Schwänze von Jagdhunden.

Qualzuchtverbot muss für alle gelten
Eine weitere klare Verschlecherung ist die Forderung der Länder, dass das Qualzuchtverbot nicht für anerkannte Zuchtorganisationen gelten soll. Dies würde bedeuten, dass genau die Zuchtverbände, die Qualzuchten zum Standard gemacht haben, so weitermachen könnten wie bisher. Dies würde die komplette Regelung ad absurdum führen. Für die weiteren Verhandlungen muss deswegen gelten: keine pauschalen Ausnahmen vom Qualzuchtverbot.

Schutz für „Versuchstiere“ sichern
Der Bundesverband Menschen für Tierrechte lehnt es zudem entscheiden ab, was die baden-württembergische Forschungsministerin Petra Olschowski (Grüne) in ihrer Rede ansprach, nämlich  Lockerungen für die biomedizinische Forschung, damit sogenannte überzählige Versuchstiere leichter getötet werden können. Dies würde bedeuten, Millionen von Tieren praktisch pauschal vom Schutzstatus des Tierschutzgesetzes auszunehmen. Im Jahr 2022 waren 1,73 Millionen Tiere tatsächlich Teil eines Tierversuchs. Gleichzeitig wurden fast 1,77 Millionen sogenannte überzählige Tiere einfach getötet.

Tötung muss streng reglementiert werden
Der Umgang mit den sogenannten überzähligen Versuchstieren sollte konkreter geregelt, muss aber streng reglementiert werden. Forscher:innen müssen beispielsweise zuerst prüfen, ob sich eine Fragestellung nicht auch ohne den Einsatz von Tieren beantworten lässt. Wenn dies nachweislich nicht der Fall ist, muss bereits bei der Zucht der Tiere darauf geachtet werden, dass ihre Zahl auf das absolut unerlässliche Maß beschränkt wird. Zudem muss – statt der Tötung – auch die Vermittlung überzähliger Versuchstiere ermöglicht werden.

Enttäuschende Abstimmung
Insgesamt enttäuschte das Abstimmungsverhalten der Länder. Sie nutzen ihre Möglichkeiten nicht, um den Gesetzentwurf substanziell im Sinne der Tiere zu verbessern. Im Gegenteil: Die Länder Bayern und Baden-Württemberg setzten sich bei der Anbindehaltung gegen Tierschutzverbesserungen durch. Auch die Initiative Baden-Württembergs für eine Vereinfachung der Tötung sogenannter überzähliger Versuchstiere zeigt, dass die Länder teilweise ebenfalls Wirtschaft und Wissenschaft Vorrang vor den Schutzinteressen der Tiere einräumen. Insgesamt ermöglicht der vorliegende Reformentwurf noch immer Qualzuchten, Qualhaltungen, wie die Anbindehaltung und die Massentierhaltung, sowie die Verstümmelung von Tieren, um sie an die tierquälerischen Haltungssysteme anzupassen.

Baden-Württemberg und Bayern pro Anbindehaltung
Die Haltung der Länder wurde auch in den Reden deutlich: So sprach sich der baden-württembergische Landwirtschaftsminister Hauk (CDU) für den Erhalt der Anbindehaltung aus. Diese sei notwendig, um die regionale Tierhaltung zu erhalten. Er kritisierte, dass es noch immer keine Finanzierungstrategie für den Umbau der Tierhaltung vorläge. Außerdem monierte er das Vorgehen der Bundesregierung bei der Novelle des Tierschutzgesetzes. Sie nutze einen Verfassungstrick, um den Bundesrat zu umgehen. Die ebenfalls aus Baden-Württemberg stammende Forschungsministerin Petra Olschowski (Grüne) zeigte sich als Fürsprecherin der biomedizinischen Forschung. Tierversuche seien alternativlos, deswegen müssen man die Rechtsunsicherheit für die Forschung insbesondere bei der Tötung überzähliger Versuchstiere beenden.

Niedersachsen fordert Verbot von Tiertransporten
Anders äußerte sich Niedersachsens Landwirtschaftsministerin Miriam Staudte (Grüne). Sie sieht in der Novelle dennoch eine wichtige Etappe auf dem Weg zu mehr Tierschutz und verwies auf die Demonstration der Tierschutzorganisationen vor dem Bundesrat. Bezüglich der Anbindehaltung sprach sie sich für eine kürzere Übergangszeit aus. Perspektivisch müsse ein vollständiger Ausstieg aus der Anbindehaltung von Rindern das Ziel sein.“ Zudem dürfe es keine Freifahrtschein für kleine Betriebe geben. Bezüglich der Tiertransporte forderte sie die Bundesregierung auf, eine sichere Rechtsgrundlage zu schaffen, die es den Ländern ermögliche, Tiertransporte in bestimmte Drittstaaten aus Tierschutzgründen zu unterbinden. Die Erfahrungen in Niedersachsen zeigten, dass den Ländern dazu bislang das erforderliche Instrumentarium fehle.

Nach der Befassung im Bundesrat wird sich ein Gesetzgebungsverfahren im Bundestag anschließen. Dies wird vorraussichtlich Ende September 2024 erfolgen. Im Anschluss an den Gesetzesbeschluss wird sich der Bundesrat nochmals abschließend mit dem Gesetz befassen.

Hier können Sie sich den Videomitschnitt der Sitzung des Bundesrates vom 05.07.24 anschauen. Das Tierschutzgesetz wird ab 03:57:18 bis 04:31 diskutiert.