Allgemein Industrielle Tierhaltung

Fortschritt: Niedersachsen verbietet Rinder-Transporte in 17 Nicht-EU-Länder

 Menschen für Tierrechte begrüßt den neuen Erlass. Niedersachsen müsse jedoch dringend die Türkei auf der Verbotsliste ergänzen, um zu verhindern, dass der Export über die Türkei das neue Schlupfloch für zukünftige Tiertransporte werde. Dies hat der Verband der niedersächsischen Ministerin Miriam Staudte (Grüne) am 27. November 2023 schriftlich mitgeteilt.

Am 24. November 2023 hat das niedersächsische Agrarministerium den Transport von Rindern in 17 Nicht-EU-Länder (1) per Erlass (2) untersagt – darunter sind Länder wie Ägypten und Marokko. Das niedersächsische Landwirtschaftsministerium begründete das Verbot unter anderem damit, dass die Rinder in den betroffenen Ländern früher oder später ohne Betäubung geschlachtet werden. In den im Erlass genannten Staaten sei das betäubungslose Schlachten die übliche Schlachtmethode. Dies belegen Dokumentationen unter anderem aus der Türkei (3). Das betäubungslose Schlachten führe „regelmäßig zu erheblichen, langanhaltenden Schmerzen und Leiden für die Tiere“. Die Verhinderung dieser drohenden Tierschutzverstöße, ginge nur durch Untersagung des Transports. Der „Untersagungs-Erlass“ gilt auch für Rinder, die vorgeblich zur Zucht exportiert werden. Da aus den genannten Ländern keine Rinder nach Europa zurücktransportiert würden, so die niedersächsische Landwirtschaftsministerin Staudte, alle Rinder irgendwann ohne Betäubung geschlachtet.

Tiertransporte: Schlupfloch Niedersachsen
Niedersachsen gehört zu den Hauptexporteuren von Rindern in Drittstaaten. Das Bundesland war lange Schlupfloch auch für Rinder aus anderen Bundesländern. Die Transporte wurden zuletzt vor allem aus den Landkreisen Aurich und Emsland abgefertigt. Andere Bundesländer hatten den Transport von Rindern in Nicht-EU-Staaten schon vorher durch Verbote oder Auflagen eingeschränkt. Die Zahl der Rinder, die in den vergangenen Jahren exportiert wurden, sinkt seit Jahren. 2020 lag die Zahl der exportierten Rinder in Nicht-EU-Staaten noch bei insgesamt 11.830. Im Jahr 2021 waren es 9900 Tiere und 2022 sank die Zahl auf 8.400 Rinder. Fast alle Rinder wurden nach Ägypten (4765) oder Marokko (2944) transportiert.

Türkei muss auf Verbotsliste
Der Bundesverband Menschen für Tierrechte begrüßte den neuen Erlass in einem Schreiben an die Ministerin. Dies sei ein entscheidender Schritt, um das Schlupfloch Niedersachsen zu schließen und die tierquälerischen Tiertransporte in die genannten Drittländer endlich zu beenden. Es fehle jedoch ein wichtiges Land auf der Verbotsliste: die Türkei. Menschen für Tierrechte schließt sich der Forderung von Vier Pfoten an, dass Niedersachsen dringend die Türkei auf der Liste ergänzen müsse. Einerseits sei hinreichend belegt, dass auch in der Türkei das betäubungslose Schächten die gängige Schlachtmethode sei. Außerdem müsse verhindert werden, dass der Export über die Türkei das neue Schlupfloch für zukünftige Tiertransporte werde.

Tierschutzverstöße an der Tagesordnung
Neben dem Schlachten ohne Betäubung kritisiert Staudte weitere mutmaßliche Verstöße gegen geltendes Tierschutzrecht. So würden die Tiere teils mit massiver Gewalt fixiert. Im Oktober 2023 hatte das Agrarministerium den Transport von Tieren nach Alexandria in Ägypten untersagt, wenn ein Stall im dortigen Hafen als Zielort angegeben ist. Nach Informationen des Ministeriums waren Rinder aus Niedersachsen in der Vergangenheit dort nicht wie angegeben untergebracht. Zudem sei der Treibweg durch den Hafen für die Tiere gar nicht passierbar.

Erlass basiert auf konkreter Gefährdung
Niedersachsen hatte im Jahr 2020 schon einmal Tiertransporte in Drittländer außerhalb der EU aus Tierschutzgründen untersagt. Der Erlass hatte jedoch keinen Bestand, da Transportunternehmer erfolgreich dagegen geklagt hatten. Die Gerichte hatten bemängelt, dass eine konkrete Gefahr für die Tiere nicht hinreichend begründet sei. Diese Lücke schließe der „Untersagungs-Erlass“ nun. Das niedersächsische Agrarministerium argumentiert, dass eine konkrete Gefahr auch dann bestehe, wenn der Tag der betäubungslosen Schlachtung noch nicht feststehe oder gar Jahre in der Zukunft liege. Ohne den Transport käme es gar nicht zu den bekannten Tierschutzverstößen in den Zielländern.

Weitere Richtlinien angekündigt
Das Agrarministerium kündigte zudem an, in Kürze Richtlinien zu veröffentlichen, die längere Transporte in Drittländer regeln sollen. Darin soll unter anderem festgelegt werden, dass der Organisator eines Tiertransportes künftig dokumentieren muss, dass die Tiere am Bestimmungsort gut angekommen und versorgt worden sind. Die Behörden sollen das dann rückwirkend kontrollieren.

Schächten: Extreme Schmerzen, Atemnot und Todesangst
Beim sogenannten Schächten, das nach muslimischem oder mosaischem Ritus bei Muslimen und Juden durchgeführt wird, werden mit dem rituellen Halsschnitt Halsschlagader sowie Luft- und Speiseröhre der Tiere komplett durchtrennt. Studien zufolge erleiden die unbetäubten Tiere dabei extreme Schmerzen, Atemnot und Todesangst. Der Todeskampf kann mehrere Minuten dauern, bis die Tiere endlich verblutet sind. Der Bundesverband fordert schon lange ein konsequentes Verbot des betäubungslosen Schlachtens. Wenn vor dem Schächtschnitt eine Elektrobetäubung durchgeführt wird, ist dies konform mit den religiösen Bestimmungen. Grundsätzlich spricht sich der Tierrechtsverband nicht nur für diese Leidensminismierung aus, sondern für eine grundsätzliche Abkehr vom Fleischkonsum.

Quellen:
(1) Diese Länder sind von dem Exportverbot betroffen: Ägypten, Algerien, Aserbaidschan, Irak, Iran, Jemen, Jordanien, Kasachstan, Kirgistan, Libanon, Libyen, Marokko, Syrien, Tadschikistan, Tunesien, Turkmenistan, Usbekistan
(2) Die Presseerklärung des Ministeriums Niedersachsen: www.ml.niedersachsen.de
(3) Artikel „Transporte von Rindern und Schafen in Tierschutz-Hochrisikostaaten gehen weiter“ (ATD 2020), beschreibt die Tötungsmethoden u.a. in Ländern wie der Türkei