Wahlen Bund und Länder

Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen: Wie stehen die Parteien zum Tierschutz?

Anlässlich der Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen am 1. September hat der Bundesverband Menschen für Tierrechte die Wahlprogramme der wichtigsten Parteien ausgewertet. Dabei legte der Tierrechtsverband besonderen Fokus darauf, ob die Parteien eine Agrar- und Ernährungswende hin zu einer pflanzenbasierten Produktion verfolgen und wie sie den Ausstieg aus dem Tierversuch voranbringen wollen. Das Ergebnis: Eine Wende in der Agrar- und Ernährungspolitik ist in beiden Bundesländern weder mit der CDU noch mit der AFD oder dem BSW zu erwarten – im Gegenteil. Statt auf eine pflanzenbasierte Ernährung zu setzen, wollen alle drei Parteien die sogenannte Nutztierhaltung ausbauen. Auch der Ausstieg aus dem Tierversuch steht nicht auf ihrer Agenda.

Seit 2019 wird Sachsen unter dem CDU-Ministerpräsidenten Michael Kretschmer von einer Koalition aus CDU, SPD und den Grünen regiert. Nach den aktuellen Prognosen liegt die CDU mit 32,2 Prozent vorne, gefolgt von der AFD mit 30,5 Prozent. Das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) steht mit 13,4 Prozent an dritter Stelle. Auf Platz 4 und 5 folgen SPD (6,2 Prozent) und Grüne (5,5 Prozent). Die Linke liegt steht auf Platz 6 (3,9 Prozent), gefolgt von den Freien Wählern (3,1 Prozent) und der FDP (1,1 Prozent).

Thüringen wird aktuell von Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) regiert. Seine Partei bildet zusammen mit der SPD und den Grünen eine Koalition. Die drei Parteien verfügen über keine eigene Mehrheit im Thüringer Landtag und bilden eine Minderheitenregierung. Die Linke wird laut Umfragen nicht mehr stärkste, sondern nur noch viertstärkste Kraft in Thüringen. Nach den aktuellen Prognosen liegt die AFD mit 30 Prozent vorne, gefolgt von der CDU mit 21 Prozent. Das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) steht mit 20 Prozent an dritter Stelle. Auf Platz 4 und 5 folgen Linke (14 Prozent) und SPD (6 Prozent). Die Grünen (3,4 Prozent) und die FDP (3 Prozent) würden nach dieser Prognose an der Fünf-Prozent-Hürde scheitern und kämen nicht in den Landtag.

CDU will tiergebundene Landbewirtschaftung
Obwohl der Tierschutz in der sächsischen Landesverfassung als Staatsziel benannt wird, erwähnt die CDU den Tierschutz in ihrem Programm nur mit Allgemeinplätzen. Die Themen pflanzliche Ernährung oder Tierversuche kommen in beiden CDU-Wahlprogrammen überhaupt nicht vor. Deutlich konkreter wird die sächsische CDU in Punkto Land- und Forstwirtschaft und bei der Jagd. Die Landwirtschaft soll entlastet werden und flächendeckend wirtschaften können. Wörtlich heißt es: „Wir setzen uns für die Unterstützung und den Erhalt der Tierhaltung in Sachsen ein“. Die Thüringer CDU gibt an, dass ihr das „Tierwohl ein zentrales Anliegen sei“ und dass sie Investitionen in modernere Ställe unterstützen will. Auch die Thüringer CDU setzt auf eine „“flächendeckende tiergebundene Landbewirtschaftung“ und auf „Anreize statt staatlicher Auflagen“.

CDU: „Wolf passt nicht zur Kulturlandschaft“
Beide Landesverbände wollen dezentral organisierte Schlachthöfe stärken und die Tierheime besser fördern. Die sächsische CDU will das „bewährte Jagdrecht beibehalten“ und kündigt an, den „schnellen Zuwachs des Wolfsbestands durch Bejagung zu regulieren“ und so jährlich bis zu einem Drittel der Wölfe zur Jagd freizugeben. Auch die Thüringer CDU ist der Ansicht, dass der Wolf „nicht zur Thüringer Kulturlandschaft“ passe. Bei der zukünftigen Jagdgesetzgebung will die CDU in Thüringen jedoch auch Aspekte der Wildbiologie, des Arten- und Tierschutzes berücksichtigen. Bei der Ernährung plant die Thüringer CDU mehr Verbraucher- und Ernährungsbildung und eine ermäßigte Verpflegung nach DGE-Qualitätsstandards in Kindergärten.

AFD will höheren „Selbstversorgungsgrad bei Schlachtvieh“
Die sächsische AFD setzt beim Tierschutz in ihrem Wahlprogramm auf die stärkere Regulierung von Tiertransporten, verbesserte Haltungsbedingungen für sogenannte Nutztiere (auf EU-Ebene), ein generelles Verbot von Schächtungen und auf mehr Unterstützung für Tierheime. Ähnlich sieht es im Programm der Thüringer-AfD aus. Diese will zudem Tierversuche reduzieren und den Einsatz von Drohnen zum Schutz von Jungtieren vor der Mahd fördern. Außerdem soll die Nutzung mobiler Schlachteinheiten vereinfacht werden. Sogenannte Nutztiere sollen artgerecht gehalten werden. Dazu setzt die Thüringer AFD auf eine „enge Zusammenarbeit mit den Landwirten“.

Keine Tendenz zu einer pflanzenbasierten Ernährung
Eine Wende hin zu einer stärker pflanzenbasierten Ernährung verfolgen beide AFD-Landesverbände nicht. Stattdessen will die sächsische AFD, dass der „Selbstversorgungsgrad bei Schlachtvieh“ ausgebaut und die Weidetierhaltung zur Erzeugung von Rind- und Schaffleisch gefördert wird. Außerdem will sie Fischer, Angler sowie Kleintierhalter unterstützen. Die Thüringer AfD konstatiert, dass Thüringen eine Mischung aus „preiswerter und qualitativ hochwertiger Fleischproduktion“ brauche. In diesem Zusammenhang sieht die AFD die Stagnation beziehungsweise den Rückgang der Tierhaltung in Thüringen „mit Sorge“. Beide AFD-Landesverbände wollen die Wolfsbestände stärker regulieren und Abschusspläne einführen. Dies gilt auch für Biber und Kormorane. In Thüringen will die AFD sogenannte invasive Arten, wie Marderhund und Nilgans, „reduzieren“, der Waschbär soll „konsequent bejagt“ werden.

BSW will Tierhaltung stärken
In den Programmen des BSW werden Tierschutz und Tierversuche weder in Sachsen noch in Thüringen erwähnt. Da die „Belastung der viehhaltenden Betriebe“ zu einer Verlagerung der Tierproduktion in Länder mit geringeren Tierschutzstandards geführt habe, will das BSW in Sachsen und Thüringen einen Masterplan zur Stärkung der Tierhaltung auf den Weg bringen. Für Arten wie Wolf, Biber oder Kormoran will das BSW ein Wildtiermanagement einführen und Beeinträchtigungen von Betrieben finanziell ausgleichen. In Thüringen will das BSW den Tierheimen Investitionsförderungen gewähren und den laufenden Betrieb unterstützen.

SPD will auf Tierversuche verzichten
Die SPD in beiden Bundesländern sieht Politik und Wirtschaft in der Pflicht, Verantwortung für die Tiere zu übernehmen. Dazu will sie die Tierheime unterstützen, Veterinärämter stärken, Tiertransporte minimieren und zeitnah auf Tierversuche verzichten. Um die Haltungsbedingungen zu verbessern, plant die die SPD im Falle einer Regierungsbeteiligung den Betrieben die Umstellung auf eine ökologische Tierhaltung zu erleichtern. In Thüringen will sich die SPD für ein verpflichtendes Tierwohllabel bei tierischen Produkten einsetzen. Für Milchkühe und extensive Mutterkuhhaltung will die SPD eine Weidetierprämie einführen. In Thüringen beabsichtigt die SPD in Kantinen öffentlicher Einrichtungen mehr attraktive Angebote für eine pflanzenbasierte Ernährung zu schaffen.

Tierbestände: Grüne planen Ausstiegsprogramme
Beide Landesverbände der Grünen haben für den Tierschutz mehrere Seiten in ihren Programmen reserviert. Mit einer Tierwohl-Nutztierstrategie wollen die sächischen Grünen eine „flächengebundene und tiergerechte Nutztierhaltung“ fördern. Mit Ausstiegsförderprogrammen wollen sie tierhaltende Betrieben dabei unterstützen, ihre Tierbestände zu reduzieren. Die Thüringer Grünen wollen die Tierwohlstrategie weiterentwickeln und einen umfangreichen „Pakt für artgerechte Tierhaltung“ schmieden. Außerdem wollen sie den Brandschutz in Ställen durch eine Änderung der Landesbauordnung verbessern. Tiertransporte in Drittstaaten wollen beide Landesverbände beenden und regionale sowie alternative Schlachtformen fördern. Beide unterstützen die Einführung der Tierschutz-Verbandsklage. In Thüringen planen sie zudem die Etablierung einer unabhängigen Landestierschutzbeauftragten.

Grüne für Strategie zum Ausstieg aus dem Tierversuch
In Bezug auf Tierversuche fordern beide Landesverbände einen Verzicht auf Tierversuche in der Ausbildung. Die sächsischen Grünen wollen einen Preis für tierfreie Forschungsmethoden und dass keine Gelder des Freistaates mehr für Tierversuche eingesetzt werden. Die Thüringer wollen zudem Strategien stärken, um stückweise aus Tierversuchen auszusteigen. Beide Landesverbände wollen außerdem Tierheime und Wildtierauffangstationen stärker fördern und die Einhaltung der Katzenschutzverordnung unterstützen. Die sächsischen Grünen planen zudem den Tier- und Artenschutz im Landesjagdgesetz auszubauen und kommunale Wildtierbeauftragte einzusetzen. In Thüringen wollen die Grünen zudem einen Sachkundenachweises für die Haltung von Hunden einführen sowie Taubenschläge in Thüringer Kommunen und landeseigenen Liegenschaften einrichten. In Bezug auf die Ernährung streben die sächsischen Grünen eine Ernährungsstrategie an, die pflanzliche, saisonale und regionale Ernährung stärkt. Beide Landesverbände wollen vegetarische und veganen Angebote in öffentlichen Kantinen ausbauen.

Industrielle Tierhaltung: Linke verfolgt Transformation
Auch die Linke gibt den Themen Tier- und Naturschutz viel Platz in ihren Wahlprogrammen. Sie verfolgt eine Transformation weg von der industrialisierten Tierhaltung. Der Weg dahin ist nach Ansicht der Linken eine bodengebundene Tierhaltung und die Förderung „tiergerechter“ Haltungssysteme durch das Land. Außerdem will die Partei weg von Qual- und Hochleistungszuchten, Tiertransporte einschränken, Kontrollen verstärken und dezentrale Schlachtungen ermöglichen. Die Linke strebt zudem ein Verbot von Wildtieren in Zirkussen und der Pelztierhaltung an. Sachsen soll die Tierschutz-Verbandklage einführen, Tierheime und andere Tierschutzeinrichtungen sollen eine Fördergarantie erhalten, es soll eine zentrale Aufnahmestelle für exotische und gefährliche Tiere geschaffen werden. Außerdem soll das Netz von Wildtierauffangstationen ausgebaut und besser gefördert werden. Statt Rassehundeliste will die Linke einen verpflichtenden Sachkundenachweis für Hundehalter:innen sowie eine Registrier- und Kastrationspflicht für freilaufende Hauskatzen einführen. Tierversuche will die Linke in Sachsen reduzieren und Versuche mit schweren und langanhaltenden Schmerzen und Leiden beenden. Außerdem soll Sachsen die Forschung und Entwicklung an Alternativmethoden stärker fördern. In Thüringen will die Partei eine stärkere Regulierung und Kontrolle bei Tierversuchen und in der Hundezucht. Die Thüringer Linke sieht Jagd als Teil eines „naturnahen, verantwortungsvollen Wildtiermanagements und als Voraussetzung eines erfolgreichen Waldumbaus“.

Fazit: Keine Agrar-und Ernährungswende in Sicht
Eine Wende in der Agrar- und Ernährungspolitik ist weder mit der CDU noch mit der AFD oder dem BSW zu erwarten – im Gegenteil. Statt auf eine pflanzenbasierte Ernährung zu setzen, wollen alle drei Parteien die sogenannte Nutztierhaltung ausbauen. Auch der Ausstieg aus dem Tierversuch steht nicht auf ihrer Agenda. Die Pläne der SPD sind insgesamt begrüßenswert, besonders die Ankündigung der sächsischen SPD, zeitnah auf Tierversuche verzichten zu wollen. Die weitreichendsten Tierschutzpläne legen die Grünen und die Linken vor. Besonders hervorzuheben sind die Förderprogramme, mit denen die Grünen die Tierbestände reduzieren wollen, sowie die Ernährungsstrategie, mit der die Partei eine pflanzliche Ernährung stärken will. Positiv ist auch der geplante Verzicht von Tierversuchen in der Ausbildung und dass keine Gelder mehr für Tierversuche eingesetzt werden sollen.

Hier können sie sich die Wahlprogramme der Parteien (in alphabetischer Reihenfolge) herunterladen:

Sachsen: AFD, BSW, CDUGrüne, Linke, SPD
Thüringen: AFD, BSW, CDU, Grüne, Linke, SPD

Bei allen Angaben handelt es nicht um eine Wahlempfehlung. Der Bundesverband Menschen für Tierrechte e.V. ist politisch neutral.