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01. Oktober 2024: Gemeinsame Erklärung: Tierschutz muss auch für überzählige Versuchstiere gelten

Statt die Tötung von Millionen von Tieren zu legitimieren, fordern Tierschutzorganisationen strenge und rechtskonforme Regelungen

In einer heute veröffentlichten gemeinsamen Erklärung protestieren vier Tierschutzorganisationen gegen den Plan der Bundesregierung, die Tötung von überzähligen Versuchstieren via Verordnung zu legitimieren. Die Tötung von Millionen von Tieren, verstößt nach Ansicht des Bundesverbandes Menschen für Tierrechte, Ärzte gegen Tierversuche, der Deutschen Juristischen Gesellschaft für Tierschutzrecht (DJGT) und PETA gegen deutsches und europäisches Tierschutzrecht sowie gegen das Staatsziel Tierschutz. Die Tierschutzorganisationen fordern stattdessen die Erstellung eines strengen Kriterienkataloges, der die Voraussetzungen für eine Tötung regelt.

Im Rahmen der aktuellen Reform des Tierschutzgesetzes fordern Forschende aus dem Versuchstierbereich, die Tötung von sogenannten überzähligen Versuchstieren zu vereinfachen. Dabei handelt es sich um Tiere, die zu wissenschaftlichen Zwecken gezüchtet, jedoch nie in Versuchen eingesetzt werden. Offiziell soll damit Rechtssicherheit für Personen geschaffen werden, die Tierversuche durchführen.

1,77 Millionen Tiere als Überschuss getötet
Im Jahr 2022 wurden laut offizieller Statistik in Deutschland etwa 1,77 Millionen Tiere getötet, weil sie „überschüssig“ waren. Dies übertrifft die Zahl der Tiere, die tatsächlich in Tierversuchen eingesetzt wurden (1,73 Millionen) . Tatsächlich ist davon auszugehen, dass diese Zahl noch weitaus höher liegt . Laut Wissenschaftsverbänden ließen sich diese überzähligen Versuchstiere nicht gänzlich vermeiden. Bei der Zucht entstünden regelmäßig Tiere, die aufgrund verschiedenster Kriterien im geplanten Tierversuch nicht eingesetzt werden könnten (falsches Geschlecht, zu alt, falscher Phänotyp, etc.).

Geplante Kaskadenreglung rückschrittlich
Die Bundesregierung kam der Forderung der Wissenschaft nach und legte kürzlich eine Änderung in der Tierschutz-Versuchstierverordnung (TierSchVersV) vor, die den Begriff des „vernünftigen Grundes“ mit der sogenannten „Kaskadenregelung“ verknüpft. Danach liegt der „vernünftige Grund“ zur Tötung der Überschusstiere vor, wenn diese trotz sorgfältiger Zuchtplanung sowie Zweitnutzungsprüfung keiner alternativen Verwendung zugeführt werden können und die Kapazitäten zur artgerechten Haltung und Pflege der Tiere erschöpft seien. Diese Voraussetzungen sind nach Auffassung der Tierschutzorganisationen jedoch nicht streng und nicht konkret genug und schließen die Vermittlung (Rehoming) oder die dauerhafte Unterbringung überzähliger Versuchstiere im Sinne der EU-Tierversuchsrichtlinie aus.

Wirtschaftliche Gründe oder Kapazitätsmangel kein vernünftiger Grund
Nach Auffassung der Tierschutzorganisationen widerspricht diese Regelung grundsätzlich dem Tierschutzgesetz und dem Staatsziel Tierschutz. Danach darf niemand einem Tier ohne vernünftigen Grund Schmerzen, Leiden oder Schäden zufügen. Rechtlich ist der Tod jedoch der größtmögliche Schaden, der einem Tier zugefügt werden kann. Dies zeigt sich auch in der aktuellen Rechtsprechung: Nach mehreren höchstrichterlichen Urteilen stellen rein wirtschaftliche Gründe oder Kapazitätsmangel keinen vernünftigen Grund für die Tötung eines Tieres dar .

Es darf keinen Freibrief zur Tötung geben
„Was hier passiert ist ein Kuhhandel auf dem Rücken von Millionen von Tieren. Damit die Tierversuchsbefürworter der Novellierung des Tierschutzgesetzes zustimmen, soll ihnen die Tötung gesunder Tiere via Verordnung erlaubt werden. Die Wissenschaft erhält dadurch einen Freibrief zur rechtssicheren Tötung von Millionen von Tieren aus wirtschaftlichen Gründen. Die „Überschusstiere“ fallen dadurch faktisch nicht mehr unter den Schutz des Tierschutzgesetzes. Das ist ein tierschutzrechtlicher Dammbruch, der das deutsche und das europäische Tierschutzrecht mit Füßen tritt. Wir fordern stattdessen, dass der Umgang mit gesunden, überzähligen Versuchstieren mithilfe eines Kriterienkataloges streng reglementiert wird. Ihre Tötung darf nur das allerletzte Mittel sein, wenn nachweislich alle anderen Mittel ausgeschöpft sind“, fordert die Biologin Dr. Christiane Hohensee, Fachreferentin beim Bundesverband Menschen für Tierrechte.

Tierschutz fordert Kriterienkatalog
Die Gemeinsame Erklärung der Tierschutzorganisationen enthält diverse Vorschläge, welche Punkte der Kriterienkatalog enthalten sollte. Beispielweise müssten vorrangig tierfreie Verfahren genutzt werden. Gentechnisch veränderte Versuchstierlinien dürften nicht auf Vorrat gehalten werden. Außerdem müssten die Institute nachweisen, dass sie sich ernsthaft bemüht haben, den Tieren nach Ende der Versuche ein Weiterleben zu ermöglichen. Als Züchter oder Auftraggeber tragen sie, nach Ansicht der Tierschutzorganisationen, die Verantwortung für diese Tiere und müssen nach dem Verursacherprinzip für die Kosten aufkommen.

Hier können Sie sich die Gemeinsame Erklärung der Tierschutzverbände als PDF herunterladen.

Hier können Sie sich die Stellungnahme von Menschen für Tierrechte zur Änderung in der Tierschutz-Versuchstierverordnung (TierSchVersV) als PDF herunterladen.


Pressestelle Menschen für Tierrechte
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Der Bundesverband Menschen für Tierrechte setzt sich seit seiner Gründung 1982 auf rechtlicher, politischer, wissenschaftlicher und gesellschaftlicher Ebene für die Anerkennung elementarer Tierrechte ein und kämpft gegen jeglichen Missbrauch von Tieren. Das langfristige Ziel ist eine grundsätzliche Veränderung des Mensch-Tier-Verhältnisses. Dem Dachverband mit Hauptsitz in Zülpich (früher Aachen) sind Vereine sowie private Fördermitglieder angeschlossen. Seine Stärke liegt im Zusammenwirken von Seriosität, Fachwissen und Lobbyarbeit auf höchster politischer Ebene. Dazu verfolgt der Verband einen Masterplan zum Ausstieg aus dem Tierversuch und eine Ernährungs- und Agrarwende von der tierischen zur pflanzlichen Eiweißproduktion. Mit dem Projekt Ausstieg aus der Tierhaltung zeigt er Landwirt:innen Alternativen auf, wie sie auch ohne sogenannte Nutztiere erfolgreich und nachhaltig wirtschaften können. Um tierversuchsfreie Methoden voranzubringen, veröffentlicht der Verband das „Ersatzverfahren bzw. Replace des Jahres“ sowie das: „Versuchstier des Jahres“, betreibt die Wissenschaftsplattform InVitro+Jobs für eine konsequente Förderung der tierversuchsfreien Forschung und setzt sich mit dem Projekt SATIS für eine humane Ausbildung ein. Außerdem unterstützt der Verband das tierschutzkonforme Stadttaubenmanagement und gibt mehrmals im Jahr das Magazin tierrechte heraus. Neben einem Themenschwerpunkt informiert die Zeitschrift Journalisten, Wissenschaftler, Politiker, Behörden und Verbandsmitglieder über aktuelle Entwicklungen in der politischen Tierrechtsarbeit. Zudem erscheint zweimal monatlich der Tierrechte Newsletter. Der Bundesverband Menschen für Tierrechte ist seit seiner Gründung als gemeinnützig und besonders förderungswürdig anerkannt. Beiträge und Spenden sind steuerlich absetzbar.